Das Recht in Bulgarien
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Geschichte des bulgarischen Rechts
I. Das geschriebene bulgarische Recht nahm seinen Anfang zur Zeit des Khan Krums
Khan Krums Gesetze, bekannt für ihre Schärfe und Strenge, setzten den Anfang des geschriebenen bulgarischen Rechts zu Beginn des IX. Jh. Ihre Entstehung wurde von der Notwendigkeit der Etablierung einer einheitlichen Gesetzgebung für alle Untertanen des Khan Krums herbeigeführt. Sie waren vorwiegend an die Durchsetzung strenger Regeln für die bulgarische Gesellschaft zum Schutz des Privateigentums (dessen Regelung und Schutz), Einführung von gleichen Rechten für Protobulgaren und anderen Völkern innerhalb des gemeinschaftlichen Staates, Vorbeugung des wirtschaftlichen Ruins der verarmten Bevölkerung, gegen Verleumder, falsche Zeugen, Betrüger, Diebe und ihren Komplizen durch Bestimmung entsprechender Strafen dafür, an das Ergreifen von Maßnahmen zur Überwindung der Verarmung eines wesentlichen Anteils der Bevölkerung, Eindämmung der Trunksucht unter der Bevölkerung durch Ausrottung der Weingärten, ausgerichtet.
Das byzantinische Lexikon Suda (10. Jh.) berichtet über Krums Gesetze als Gesetzbuch, das durch den einen Jahrhundert davor lebenden Herrscher - Khan Krum - im Ersten Bulgarischen Staat eingeführt worden ist.
Die im Suda beschriebene Legende erzählt davon, wie Khan Krum alle awarischen Kriegsgefangenen darüber befragt hat, was zum Zerfall und zur Vernichtung ihres Staates geführt hat. Aufgrund der gesammelten Antworten hat er seine Gesetze entworfen.
II. Das geschriebene bulgarische Recht nach der Annahme des Christentums
Die Durchsetzung des Christentums in der bulgarischen Gesellschaft führt zur Entwicklung im Bereicht des Rechts. Das geschriebene bulgarische Recht war stark von Byzanz beeinflusst, indem zu Beginn das byzantinische Modell befolgt wurde – übersetzt wurden das Landwirtschaftsgesetz, der Nomokanon und auf der Grundlage der byzantinischen Ekloge wurde auch die Slawische geschaffen.
Im Lauf der Zeit wurde die Schaffung von Gesetzen erforderlich, die der Eigenart der Bevölkerung des bulgarischen Staates angemessen waren. Die Schaffung der Gesetze wurde vorwiegend durch die Übernahme bestehender byzantinischer Rechtssammlungen mit kanonischen und weltlichen Rechtsnormen vollzogen. Aufgrund des Titels 17 der byzantinischen Ecloga und durch den Einfluss der gewohnheitsrechtlichen Regeln der Slawen wurde ein authentisches bulgarisches Gesetz – "Das Gesetz über das Richten der Menschen" – geschaffen. Für Strafverfahren galt staatliche Rechtssprechung und die Entfaltung und Absonderung einzelner Rechtsbereiche wurde beobachtet. Bis zur Etablierung der Osmanischen Herrschaft im bulgarischen Staat galten gleichzeitig die gewohnheitsrechtlichen und die staatlichen Gesetze.
Das geschriebene Recht wurde nicht allerorts angewandt – zuerst in den großen Verwaltungszentren der staatlichen und kirchlichen Gerichte. Das geschriebene Recht war nicht vereinheitlicht und dieselben Rechtsinstitute wurden auf unterschiedlicher Weise durch die einzelnen Gesetzesverordnungen geregelt.
III. Neubulgarisches Privatrecht
Das Privatrecht nimmt einen wesentlichen Teil am Rechtssystem jedes Landes ein. Das Privat- und Handelsrecht stellen ein System aus Normen dar, die die in der Gesellschaft bestehenden materiellen sowie die damit verbundenen immateriellen Beziehungen regeln. Das Privatrecht statuiert die Rechtsverhältnisse und die Angelegenheiten zum Eigentum, Erbschaft und Familie. Das neubulgarische Privatrecht ist auf das römische Rechtssystem begründet, das vom Französischen Zivilgesetzbuch aus dem Jahr 1804 durch das Italienische Zivilgesetzbuch von 1865 befestigt worden ist, indem Übernahmen aus den Gesetzgebungen weiterer Staaten zu beobachten sind.
Bis zur Befreiung von Bulgarien fand das Türkische Zivilgesetzbuch - Türk Kanunu Medenîsi – Anwendung. In seiner Form und Inhalt ist es ein archaisches, feudalistisches Gesetz und in seinem Wesen ist es eine Sammlung von Normen des Zivilrechts, die vom Heiligen Gesetz - der Scharia – abgeleitet worden sind. Trotz seines enormen Umfangs, fehlen darin Normen, die das Erbrecht festlegen, das Grund- und Bodeneigentum ist nicht normiert, das Familienrecht ist darin absolut nicht vertreten. In den Jahren nach der Befreiung ist zudem das Türkische Zivilgesetzbuch der Entwicklung der europäischen Rechtstheorie und –praxis nicht mehr angemessen und widerspricht in mancher Hinsicht unserem Gewohnheitsrecht.
Die Geschäftsbeziehungen wurden vom Handelsgesetz aus dem Jahr 1850 geregelt, das im Wesentlichen die Bestimmungen des Französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) von 1807 wiedergibt. Aus diesem Grund gilt das Türkische Handelsgesetzbuch als übersichtlich und klar, das für die Rechtsanwendung sehr günstig ist. Sein erster Teil enthält allgemeine Regeln für den Handel und der zweite Teil – über die Insolvenz der Kaufleute. Das Gesetz statuiert die Geschäftsbedingungen, Verlagsverträge, Versicherungen usw. nicht, die durch die neueren Handelsgesetzbücher der europäischen Länder normiert sind. 1861 wird das Handelsprozessgesetz, das nur eine beschränkte Anwendung findet, und 1863 – das Seehandelsgesetz, verabschiedet.
Trotz der offensichtlichen Schwächen des türkischen Privatrechts, fanden die oben genannten Gesetze in den bulgarischen Gerichtshöfen Anwendung, sofern sie den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprachen. Langsam wurden einzelne Teile des Türk Kanunu Medenîsi und des Handelsrechts durch Gesetze ersetzt, die von der Volksversammlung geschaffen worden sind und zwar das Erbgesetz und das Vormundschaftsgesetz (1890), das Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge (1892), das Handelsgesetzbuch (1897), das Gesetz über Vermögen, Eigentum und Dienstbarkeiten (1904) usw.
IV. Bulgarisches Schuldrecht
Eines der ersten wichtigsten und bedeutendsten Regelwerke im Bereich des Privatrechts ist das Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge (GSV) von 1892. Dessen Verabschiedung ermöglicht die Regelung der Schuldverhältnisse auf der Grundlage der Gerechtigkeit und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die von den Rechtssystemen der entwickelten europäischen Staaten übernommen worden sind. "Das Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge" enthält Normen, die den Wareverkehr regeln und den Ausbau der Geschäftsbeziehungen zwischen den Individuen in der Gesellschaft, die eine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung anstreben, fördern.
Für dessen Entwurf wurde das Italienische Zivilgesetzbuch (Codice civile) von 1865 verwendet, das seinerseits auf das Französische Zivilgesetzbuch (Code civil, Napoleons Gesetzbuch) beruht.
Der erste Abschnitt des GSV enthält Verordnungen über die Quellen von Schulden, indem das Hauptaugenmerk auf die Verträge (Gegenstand, Grund, Wirksamkeit und Auslegung der Verträge), verschiedenen Arten von Schulden, Tilgungsmöglichkeiten usw. gerichtet ist.
Im zweiten Abschnitt sind die einzelnen Vertragsarten geregelt:
- eigentumsübertragende Verträge (Kauf-, und Tauschverträge)
- Verträge über die entgeltliche Nutzung von Gegenständen und Arbeitskraft (Mietverträge, Einstellung von Arbeitskräften, Ausleihen von Gegenständen und Leihe). Das GSV statuiert die Arbeit als freiwillig und entgeltlich.
- Gesellschaftsverträge;
- andere Verträge: Vollmacht, Abkommen, Rente, Versicherung, Spiel, Einlage, Zwangsverwaltung und Bürgschaft.
Das römische Rechtssystem befolgend eignet sich unser Gesetzgeber auch die entsprechenden Grundsätze an, auf deren Grundlage das bulgarische Schuldrecht aufgebaut ist.
Die neuen wirtschaftlichen Beziehungen, begründet auf die Unantastbarkeit des Privateigentums, setzen notwendigerweise die Bekanntmachung der Gleichheit der Bürger durch.
Das bulgarische Schuldrecht beruht auf die Freiheit des Bürgers und auf sein Eigentumsrecht, woraus der nächste Grundsatz – "Freiheit oder Autonomie der Verhandlungen" – abgeführt worden ist. Dieser ist unter Art. 9 GSV statuiert und äußert sich in der Möglichkeit jeder natürlichen Person Verträge nach ihrer Wahl abzuschließen; jeder ist frei, seinen Vertragspartner zu wählen; die Vertragsparteien sind frei, dem Vertrag jenen Sachinhalt zu verleihen, den sie wollen und sie können den Vertrag in einer Form nach ihrer Wahl abschließen.
Die Verhandlungsfreiheit wird vom Grundsatz eingeschränkt, dass alles erlaubt ist, was nicht per Gesetz verboten ist.
Die rechtmäßig geschlossenen Verträge "haben die Wirkung eines Gesetzes für diejenigen, die sie abgeschlossen haben". Sie können nur im gegenseitigen Einvernehmen oder auf dem Gerichtsweg, oder aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen aufgelöst werden.
Das GSV wurde im Nachhinein geändert und ergänzt, indem sein Inhalt vom deutschen Privatrecht beeinflusst worden ist. Es wurde 1951 aufgehoben und durch ein gleichnamiges Gesetz, das auf den Prinzipien des sozialistischen Rechts und der Planwirtschaft entworfen worden ist, ersetzt.
Das Erbrecht regelt die Rechtsverhältnisse am Nachlass eines Verstorbenen. Die Quellen des bulgarischen Erbrechts sind mannigfaltig – einige Gerichtshöfe haben die Bestimmungen zur Verteilung des Nachlasses des muslimischen Religionsrechts angewandt; andere – die Bestimmungen zur Erbfolge, die im Türkischen Gesetz über den Boden von 1858 enthalten sind; manchmal fanden die Bestimmungen des mittelalterlichen Pedalions oder der Hexabibios des Armenopulos sowie die 118. Novelle von Justinian Anwendung; die wenigen Richter mit juristischer Schulung im Erbrecht - das Erbrecht, das von der französischen Gesetzgebung statuiert ist und die meisten Richter, die Rechtspfleger sind - setzen das gewöhnliche Erbrecht durch.
Das bulgarische Erbgesetz (EG) tritt 1890 in Kraft und regelt sämtliche Fragen aus dem Bereich des Erbrechts, wie es das Leben erfordert und den Zulassungen des seiner Zeit aktuellen Erbrechts angemessen ist. Das erste Buch regelt: I. Kapitel – gesetzliches Erbrecht; II. Kapitel - Erbschaft durch Testament; III. Kapitel – Allgemeine Regelungen zum gesetzlichen Erbrecht und zur Erbschaft durch Testament; zweites Buch: I. Kapitel – Personen, die Schenkungen leisten und empfangen können; II. Kapitel – Form und Wirksamkeit der Schenkung; III. Kapitel - Aufhebung der Schenkung; IV. Kapitel – Herabsetzung der Schenkung.
Aus dem Inhalt des Erbgesetzes lassen sich folgende Grundsätze, die von dem römischen Rechtssystem übernommen worden sind, ableiten:
- Freiheit der Beerbung – jede Person ist frei zu beerben, sofern sie per Gesetz nicht als unfähig oder unwürdig erklärt worden ist;
- Gleichheit der Erben unabhängig von ihrem Geschlecht.
Es wurden zwei Formen des Erbrechts eingeführt – per Gesetz oder Testament. Die Erbschaft wird als Gesamtheit von Vermögensrechten und –pflichten betrachtet.
In der Geschichte des bulgarischen Erbrechts sind diese Grundsätze aus dem Recht der Ekloge, das im mittelalterlichen Bulgarien angewendet wurde, bekannt. Dazu darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Zeitraum vom XV. bis zum XIX. Jh. die Nachlassverhältnisse der Bulgaren von unserem volkstümlichen Recht geregelt worden sind, das auf ganz anderen Grundsätze beruht.
Das Erben kraft Gesetz setzt das Fehlen einer abgegebenen Willenserklärung des Erblassers in Form eines Testaments voraus. Die bulgarische Bevölkerung schloss dauerhaft die Töchter als Erben des Vermögens ihrer Väter aus.
Umso wichtiger ist die zweite Ergänzung des Gesetzes, die 1906 promulgiert worden ist. Damit wurde die absolute Gleichheit der Erben, unabhängig ihres Geschlechts, festgelegt – der Gesetzgeber führt eine relative Gerechtigkeit ein. Mit der Änderung des EG wird eine neue Rechtslage für die Abkömmlinge des Erblassers eingeführt:
- die Abkömmlinge des gleichen Geschlechts erben zum gleichen Anteil;
- die Abkömmlinge unterschiedlichen Geschlechts erben nach den Eigenschaften des Nachlasses.
Das Testament ist ein widerrufbare Urkunde, womit eine Person über ihr gesamtes Vermögen oder über einen Teil davon zugunsten einer oder mehreren Personen nach ihrem Tod verfügt (Art. 44 EG). Die letztwilligen Verfügungen über das gesamte oder einen bestimmtem Teil davon werden allgemeine (universelle) letztwilligen Verfügungen genannt und sie verleihen dem Empfänger die Eigenschaft eines Erben. Alle weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers werden privat genannt und qualifizieren die Person, zu deren Gunsten ein Teil des Vermögens eingerichtet ist, als Vermächtnisnehmer.
Den Grundsatz für die Gleichheit der Bürger folgend, legt das EG fest, dass "jede Person, die per Gesetz nicht als unfähig, qualifiziert worden ist, über ihr Vermögen durch Testament verfügen kann". Testierfähig ist jede Person, die:
- das 18. Lebensjahr vollendet hat;
- zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung psychisch gesund ist.
Das bulgarische Erbrecht unterscheidet zwischen zwei Formen des Testaments: einfaches und spezielles (Sonder-)Testament. Die einfache Testamente: eigenhändiges und notariell beurkundetes Testament.
Das eigenhändige Testament muss vom Erblasser vollständig per Hand geschrieben, mit dem Erstellungsdatum (Tag, Monat und Jahr) und der eigenhändigen Unterschrift versehen werden. Diese formellen Anforderungen sind vorgesehen, da es ohne die Beteiligung staatlicher Behörden erstellt wird und kein besonderes Vertrauen genießt. Das Testament kann im Hause des Erblassers aufbewahrt werden sowie einer anderen Person oder einem Notar zur Aufbewahrung übergeben werden.
Das notariell beurkundete Testament ist öffentlich oder geheim. Das öffentliche Testament wird im Beisein von vier Zeugen aufgrund der mündlichen Willenserklärung des Erblassers vom Notar zur Niederschrift aufgenommen. Nach der Erstellung der Niederschrift wird sie vorgelesen und vom Erblasser, dem Notar und den Zeugen unterschrieben. Dieses Testament ist beim Notar aufzubewahren. Da das Testament den persönlichen und freien Willen des Erblassers wiedergibt, kann es im Nachhinein ergänzt, vollständig oder nur teilweise geändert und sogar aufgehoben werden. Der Erblasser ist berechtigt, eine oder mehrere Personen als Testamentsvollstrecker zu bestellen.
Neben diesen beiden Formen des einfachen Testaments, lässt der Gesetzgeber auch Sondertestamente zu, die eine Ausnahme von der Regel sind und unter Sonderbedingungen (Militärtestamente, Seetestamente) erstellt werden dürfen.
Der Erblasser ist Eigentümer des Vermögens, aber um die Rechte der rechtmäßigen Erben zu schützen, teilt ihnen das EG einen Pflichtteil zu. Es bestehen Regeln, womit der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Erblassers einschränkt, einen gewissen Anteil seines Vermögens seinen Erben zu entziehen. Der Pflichtteil zugunsten der Abkömmlinge ist im Gesetz statuiert.
Das Zweite Buch zum EG regelt auch den Schenkungsvertrag.
VI. Das bulgarische Familienrecht
Als Zweig des Rechtssystems regelt das Familienrecht die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich aus der Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft zwischen den Personen ergeben. Das Neubulgarische Familienrecht wird unter den Einfluss der Grundsätze des römischen Rechtssystems (des französischen Zivilgesetzbuchs, Code civil) gebildet und entwickelt. Diese durchaus persönliche und empfindliche Angelegenheit wurden Jahrzehnte lang von der archaischen Rechtsordnung geregelt, etabliert vom kanonischen Recht der Bulgarischen Orthodoxen Kirche.
In den ersten Jahrzehnten nach der Befreiung wurden aufgrund des römischen Rechtssystems einige Rechtsverordnungen, die die Familienbeziehungen regeln, verabschiedet: das Gesetz über die Vormundschaft und das Gesetz über die Anerkennung der Vaterschaft zu nichtehelichen Kindern, ihre Beurkundung und Adoption von 1890 und das Gesetz über die Personen von 1907.
Bis 1945 als ein Verordnungsgesetz über die Ehe und Familie verabschiedet wurde, war das bulgarische Familienrecht kanonisch und nicht dem Privatrecht und weltlichem Zivilrecht angehörig. Während dieses gesamten Zeitraums diente als Quelle der Normen hinsichtlich der Verlobung, Ehe und Scheidung die Exarchiesatzung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche.
Demzufolge waren Quellen des Familienrechts die Gesetze, die nach den Bestimmungen der Verfassung verabschiedet und die Verordnungen, die nach Maßgabe der kanonischen Regeln entworfen worden sind. Aus dieser Vielfalt von Quellen ist zu schließen, dass:
- der Staat eine zivilrechtliche Bedeutung jeder Ehe verleiht, die von den zuständigen Kirchengewalt aller Glaubensbekenntnisse geschlossen worden ist;
- die Bulgarische Orthodoxe Kirche und Gemeinden anderer Konfessionen für die Angelegenheiten von Ehe und Scheidung und der Staat durch seine Gerichtsbehörden für die Entscheidung der Vermögensverhältnisse zwischen den Eheleuten, Aussteuer, Erbschaft, Unterhalt des anderen Ehegatten und der Kinder zuständig ist. Eine Ausnahme dieser Regel wird nur zugunsten des Mufti-Gerichts zugelassen, das kraft des Gesetzes über die zivile Gerichtsverfahren für Entscheidungen hinsichtlich der persönlichen und Vermögensverhältnissen zwischen Eheleuten und zwischen Eltern und Kinder zuständig ist.
Die Verlobung als eine Vereinbarung zwischen Mann und Frau über eine nachfolgende Eheschließung ist eher karg geregelt. Die Kirche verleihte der Verlobung eine religiöse Form, die Bindung genannt wird. Eine ggf. Auflösung der Verlobung kann nur mit der Zustimmung der Kirchenverwaltung vom entsprechenden Eparchierat vollzogen werden. Die vermögensrechtlichen Klagen werden jedoch von den allgemeinen Gerichtshöfen entschieden.
Für die ordnungsgemäße Eheschließung erforderte die Exarchiesatzung, dass die Eheschließenden handlungsfähig sind. Die Handlungsfähigkeit für die Eheschließung tritt mit der Vollendung des 19. Lebensjahr für die Jungen und des 17. Lebensjahrs für die Mädchen (bis 1895 war das Alter sogar auf das 20. Lebensjahr für die Jungen und das 18. Lebensjahr für die Mädchen angehoben). Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "in Ausnahmefällen der Heilige Synod die Eheschließung auch im jüngeren Alter genehmigen kann".
In Verbindung mit der Anforderung an das Alter der Eheschließenden wurde die bulgarische Kirche vom allgemeinen kanonischen Recht geleitet. Die Exarchiesatzung legte keine höchste Altersgrenze auf, ab der eine Eheschließung als körperlich und sittlich unmöglich gilt. Im Zeitalter des Frühchristentums setzte die 24. Regel von Basilius der Große jedoch eine Altersgrenze bis 70 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen auf. Die Exarchiesatzung bezog keine Stellung zur Frage hinsichtlich eines großen Altersunterschieds der Eheschließenden, wie es in manchen anderen Gesetzgebungen der Fall ist. Laut der kanonischen Rechtsprechung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche stellt das fortgeschrittene Alter des Mannes und der Frau und der große Altersunterschied zwischen den Eheleuten kein Ehehindernis dar, konnte aber als Grund für das Verhängen eines Verbots zur Eheschließung vom Prälat dienen.
Neben der Bedingung über die Vollendung eines Mindestalters mussten die Eheschließenden folgende Auflagen erfüllen:
- es bedarf der Zustimmung der Eltern, Erziehungsberechtigten oder Vormunde der Eheschließenden, die ostorthodoxe Christen sein müssen;
- es darf eine von der Kirche verboten Verwandtschaft nicht bestehen (Bluts- oder Geistesverwandtschaft oder Schwägerschaft);
- sie dürfen nicht mit einer anderen Person verheiratet sein;
- sie dürfen an keiner Geisteskrankheit leiden;
- von einem Kirchengericht nicht zum Zölibat verurteilt sein;
- sie müssen über Taufscheine verfügen und
- bei der Eheschließung ihr gegenseitiges Einvernehmen aussprechen.
Die Eheschließung zwischen orthodoxen Bulgaren erfolgte durch die religiöse Zeremonie – Trauung -, bei der Mann und Frau zu Eheleuten erklärt werden und alle Folgen der Ehe eintreten. Da die Trauung ein Sakrament ist, wird die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sie zwischen Christen und Nichtchristen geschlossen werden darf. Die Personen aus nichtchristlichen Gemeinschaften schllossen die Ehe aufgrund der Vorschriften ihrer Religion ab. In diesem Sinne führt die religiöse Ehe, die in Bulgarien damals als maßgebend angenommen war, die Diskriminierung der vor dem Gesetz gleichen Bürger aufgrund ihrer Glaubensbekenntnis ein.
In der zweiten Hälfte des XIX. Jh. wurde die standesamtliche Ehe in fast allen europäischen Ländern durchgesetzt und neben ihr wurde auch die religiöse Ehe praktiziert. Unabhängig davon, dass die Stimme der Zeit zur Einführung der standesamtlichen Ehe immer lauter wurden, erhielt sie von der Bulgarischen Orthodoxen Kirche bis 1945 keine Unterstützung.
Soweit die christliche Doktrin die Ehe als Bündnis zwischen Mann und Frau bis zu ihrem Lebensende ansieht, wurde sie durch den Tod einer der Eheleute auf natürlicher Weise aufgelöst. Manchmal ist sie aus unterschiedlichen Gründen ihres Inhalts eines körperlichen und geistigen Bündnisses zwischen Mann und Frau leer und sie wird zur Last für beide und deswegen wurden Begründungen für die vorzeitige Scheidung der Ehe festgelegt.
Scheidungsgründe waren:
- die vierjährige Abwesenheit des Mannes an einem unbekannten Wohnort oder wenn sein Wohnort bekannt ist, er aber keinen Unterhalt gewährleistet;
- die dreijährige Abwesenheit der Ehefrau, die ihren ehelichen Pflichten nicht nachkommt; die Ehefrauen von Soldaten sind verpflichtet, auf sie zu warten, solange sie ihre Wehrpflicht leisten;
- der Ehebruch eines Ehegatten;
- wenn ein Ehegatte der unverbesserlichen Trunksucht verfällt und infolge dessen er sein Vermögen vergeudet und sein Haus zerstört;
- wenn ein Ehegatte rast, seinen Partner unmenschlich behandelt, foltert und gnadenlos schlägt;
- wenn einem Ehegatten für Diebstahl, Betrug, Mord usw. eine schwere und schändliche Strafe verhängt wurde;
- wenn ein Ehegatte den anderen vor Gericht wegen Ehebruch anklagt, den er nicht nachweisen kann usw.
Die Ehe wurde mit Beschluss des Eparchierats und nach Bestätigung des zuständigen Prälats geschieden. Eine Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen war nicht zulässig.
Das erste weltliche Gesetz im Bereich des Familienrechts ist das Gesetz über die Vormundschaft (GV), das 1890 in Kraft getreten ist.
Im Mittelalter wurde das Handelsrecht als ein separater Zweig im Privatrecht abgesondert und wurde zuerst als das Recht der Kaufleute aufgestellt. Dessen Normen sind nur für die Personen, die der Handelszünfte angehören, bindend. Allmählich wurden im Laufe der Zeit Handelsbräuche etabliert und die Entscheidung der Handelsstreitigkeiten wurde den s. g. Konsuln auferlegt, die die etablierten Handelsbräuche gut kennen. Es werden Sammlungen mit Handelsbräuche und Entscheidungen in Handelsstreitigkeiten veröffentlicht. Somit wird das Recht der Kaufleute als spezifisches Zunftrecht abgesondert mit dessen Hilfe die zwischen den Personen, die Handelsgeschäfte ausüben, entstehenden Streitigkeiten entschieden werden. Im Laufe der Zeit wurde das Recht der Kaufleute langsam in das Handelsrecht umgewandelt, deren Normen die geschäftlichen Handels- und Industrieverhältnisse regeln.
Das Handelsrecht beinhaltet hauptsächlich die von den Kaufleuten in Verbindung mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung geschlossenen Geschäfte. Schritt für Schritt werden auch die Regeln festgelegt, die die Folgen der Insolvenz der Kaufleute regeln. Der Inhalt des Handelsrechts wurde um die einzelnen Handelsgesellschaften, Bankgeschäfte und Seebeförderungen usw. erweitert.
Beim Entwurf des Handelsgesetzbuchs 1894 werden die Bestimmungen des Ungarischen Handelsgesetzbuchs von 1875 und des Ungarischen Gesetzes über die Wechsel von 1876 einbezogen. Ein Großteil des Inhalts wurde vom Rumänischen Handelsgesetzbuch von 1887 übernommen, welches an sich das Italienische HGB von 1883 genau wiedergibt. Auf dieser Weise vereint das Handelsrecht Grundsätze und Bestimmungen von zwei Rechtssysteme – dem deutschen und römischen -, womit die Unvollkommenheiten des Gesetzes zu erklären sind, da die Gegensätze zwischen den Grundsätzen und dem Geist unseren Privat- und Handelsrechts verstärkt werden.
Das bulgarische Handelsgesetz (HG) trat am 1. Januar 1898 in Kraft, indem es das derzeit wirksame Türkische Handelsrecht (Handelsgesetzbuch von 1850 und das Handelsprozessgesetz von 1862) aufhebt. Damit werden den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend sämtliche Institute des Handelsrechts detailliert normiert.
Das bulgarische Handelsrecht nimmt sich folgende Grundsätze an:
- verstärkte Haftung des Kaufmanns – persönliche Haftung und Gesamtschuld.
- Der Grundsatz der Entgeltlichkeit (kein Handelsgeschäft ist unentgeltlich. Das Geschäftskapital ist immer zinsbringend, selbst wenn das nicht vereinbart worden ist und zwar zum Höchstumfang) dominiert im Handelsrecht und es folgt der römischen Maxime, dass das Geld des Kaufmanns teuer ist (Plus valet pecunia mercatorias, quam non mercatoris).
- vereinfachte Formalitäten beim Abschluss von Geschäften.
Im allgemeinen Teil des Handelsgesetzbuchs werden die einzelnen Formen der Gesellschaften (offene Handelsgesellschaften, Kommandit- und Aktiengesellschaften) und Vereinigungen detailliert statuiert.
Die offene Handelsgesellschaft wird von zwei oder mehreren Personen gegründet, die sich zusammengeschlossen haben, um unter einer gemeinsamen Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben, indem sie als Gesamtschuldner persönlich haften. Diese Haftung bestimmt die geringe Anzahl der Gesellschafter, die normalerweise nahe Verwandte oder Personen, die volles gegenseitiges Vertrauen haben, sind. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Mitglieder der offenen Handelsgesellschaft werden in einem Gesellschaftsvertrag festgelegt und sofern kein solcher vorliegt – von den Bestimmungen des HGB. Wurde von den Gesellschaftern keine konkrete Person für die Geschäftsführung und Zeichnung der Geschäftsunterlagen bestimmt, haben alle Mitglieder gleiche Rechte und Pflichten.
Die Kommanditgesellschaft wird für die Ausübung einer Handelstätigkeit gegründet, aber ein oder mehrere ihrer Mitglieder haften als Gesamtschuldner persönlich und ein oder mehrere Gesellschafter haften nur bis zur Höhe der im Voraus festgelegten Einlage. Ist nur ein Mitglied persönlich haftend, so wird die Gesellschaft nach seinem Tod von Rechts wegen aufgelöst.
Die Aktiengesellschaft ist eine Vereinigung von Personen zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch ein im Voraus in gleichen Anteilen (Aktien) aufgeteiltes Kapital. Gesellschafter ist jede Person, die mindestens eine Aktie besitzt. Die Aktionäre haften bis zur Höhe ihrer Aktien aber nicht persönlich und als Gesamtschuldner. Die Anzahl der Mitglieder der Aktiengesellschaft ist unbestimmt und je nach Konzentration der Aktien auf mehr oder weniger Personen variabel. Die Höchstanzahl der Aktionäre wird von der Anzahl der Aktien bestimmt (ein Aktionär besitzt eine Aktie). Die Aktiengesellschaften räumen die Möglichkeit zur Beschaffung eines wesentlichen Kapitals ein, das die für die offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften üblichen Mittel übersteigt.
Bei der Festlegung der Handelsgeschäfte entscheidet sich der Gesetzgeber für ihre ausführliche Aufzählung:
Im Sonderteil des Handelsgesetzbuchs sind die Arten von Handelsgeschäften statuiert. Als Handelsgeschäfte werden alle unter Art. 279 des HGB aufgezählten behandelt:
- Kauf oder anderen Erwerb von Waren und beweglichen Sachen zum Zweck des Verkaufs im rohen, verarbeiteten oder bearbeiteten Zustand;
- Lieferung von beweglichen Sachen mit dem Zweck des Wiederverkaufs;
- Kauf oder anderen Erwerb von Wertpapieren und Aktien;
- Versicherungen;
- Seebeförderung von Personen oder Waren;
- Wechsel, Schuldscheine usw.;
An zweiter Stelle gelten auch folgende Geschäfte als Handelsgeschäfte sofern sie unter der gewerbsmäßigen Ausübung einer Tätigkeit ausgeführt werden (Art. 280 HGB):
- Herstellung oder Verarbeitung von beweglichen Sachen auf Rechnung anderer Personen;
- Bank- und Devisengeschäfte;
- Kommissions-, Speditions- und Beförderungsgeschäfte;
- die Geschäfte der öffentlichen Lagerhäuser;
- Verlagsverträge usw.
Das Handelsgesetzbuch schenkt der Insolvenz (allgemeine Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Schuldners) große Aufmerksamkeit. In dieser Hinsicht wurde die rumänische Handelsgesetzgebung übernommen.
Laut dem HGB ist jeder Kaufmann insolvent, der seine Zahlungen einstellt. Die Insolvenz wird durch Gerichtsurteil auf Antrag des insolventen Kaufmanns, auf Antrag eines oder mehreren Gläubigern oder von Amts wegen erklärt. Mit der Entscheidung, womit der Kaufmann für insolvent erklärt wird, bestellt das Gericht eines seiner Mitglieder als Sachbearbeiter und einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Die endgültige Bestellung des Insolvenzverwalters erfolgt von den Gläubigern. Dazu wird das gesamte Vermögen des Kaufmanns versiegelt und eine Frist festgesetzt, innerhalb welcher die Gläubiger ihre Forderungen geltend machen müssen. Mit dem Insolvenzverfahren wird zugleich auch die strafrechtliche Verfolgung des Kaufmanns hinsichtlich Vergehen gegen das Kapitel des Strafgesetzbuchs "Konkurs und Schaden für die Gläubiger" eingeleitet. Beide Verfahren werden unabhängig voneinander geführt. Nach Abschluss des im HGB ausführlich statuierten Verfahrens wird das Vermögen des insolventen Kaufmanns öffentlich versteigert und die Forderungen der Gläubiger mit dem erzielten Betrag befriedigt.
VIII. Das bulgarische Sachenrecht
Das Sachenrecht regelt die Rechtsverhältnisse an Sachen der Bürger, die sich in der unmittelbaren Herrschaft an den Sachen äußert. Das Sachenrecht wird durch das Gesetz über das Vermögen, Eigentum und Dienstbarkeiten (GVED), das 1904 in Kraft getreten ist, normiert und damit werden die Bestimmungen des römischen Rechtssystems befolgt. Auch hier rezipierte der Gesetzgeber die entsprechenden Texte des Italienischen ZGB. Das Gesetz ist an die Volksbräuche, Rechtsprechung der Gerichte und an die davor verabschiedeten Spezialgesetze über verschiedene Angelegenheiten angepasst. Mit dem Inkrafttreten werden die Verordnungen der türkischen Gesetzgebung im Bereich des Sachenrechts endgültig aufgehoben. Der Inhalt, der den Besitz und dessen Schutz behandelt, wurde vom Spanischen Zivilgesetzbuch von 1889 übernommen. Dazu werden das Französische ZGB, das Deutsche BGB und weitere Regelwerke berücksichtigt.
Das Gesetz über das Vermögen, Eigentum und Dienstbarkeiten normiert die Klassifikation der Sachen, die allgemeinen Bestimmungen zum Eigentum, das Eigentum an Gewässer, das Eigentum, die Besitzergreifung, die Anwachsungen, die Eigentumseinschränkungen; die Dienstbarkeiten und den Besitz.
Das römische Rechtssystem befolgend übernahm der Gesetzgeber die darin festgelegte Klassifikation der Sachen und teilt sie in unbeweglichen und beweglichen Sachen ein.
Die unbeweglichen Sachen werden aufgrund ihres Wesens, ihrer Bestimmung oder ihres Gegenstands, den sie anbelangen, als solche bestimmt.
Das Gesetz unterscheidet die Sachen auch hinsichtlich der Personen, deren Eigentum sie sind – Staat, Bezirke, Gemeinden, natürliche und juristische Personen.
Die Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen ist für Folgendes von Bedeutung:
- die unbeweglichen Sachen können mit einer Hypothek belastet und die beweglichen – gepfändet werden;
- die dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüche haben verschiedene Verjährungsfristen;
- die Veräußerung von unbeweglichen Sachen unterliegt formeller Auflagen (die Eigentumsübertragung bedarf den privaten schriftlichen Vertrag oder der notariellen Beurkundung; für die Veräußerung von beweglichen Sachen sind keine Formalitäten vorgesehen);
- die Klagen, deren Gegenstand unbewegliche Sachen sind, werden am Standort des Grundstücks entschieden und die Klagen über bewegliche Sachen – am Wohnsitz des Beklagten.
Mit der Verabschiedung des GVED wird im Land das Eigentum an den Vermögen mit seinen Befugnissen – Besitz, Nutzung, Nießbrauch und Verfügung – festgelegt. Die Eigentumsrechte sind unantastbar und ihre Veräußerung zu staatlichen oder gemeinschaftlichen Zwecken kann nur gegen einen gerechten Preis und Vorauszahlung erfolgen.
Die Dienstbarkeiten sind Sachenrechte an fremden Sachen. Kraft der Dienstbarkeit dient eine Sache einer anderen Person oder einer anderen bestimmten Sache. Seiner Urquelle folgend übernimmt das bulgarische GVED sowohl die persönlichen Dienstbarkeiten als auch die Leitungsrechte. Die persönlichen Dienstbarkeiten werden für eine Sache zugunsten einer bestimmten Person begründet. Die Dienstbarkeit, womit einer Person die Nutzung an einer fremden Sache, die vom Eigentümer selbst genutzt wird, eingeräumt wird, wird Nießbrauch genannt.
Das Leitungsrecht ist das dingliche Recht an einem fremden Grundstück zugunsten eines anderen Grundstücks. Man nennt dabei das Grundstück des Berechtigten das herrschende, das belastete - das dienende Grundstück.
Während der Schaffungder bulgarischen Privatgesetzgebung wird die Regelung des Instituts der Verjährung erforderlich, das für den Erwerb und Verlust von Rechten von Bedeutung ist. Die bestehende gesetzliche Unvollständigkeit und der Bedarf an Abstimmung der einzelnen Zivilgesetze machen das Verabschieden eines Spezialgesetzes erforderlich. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Verjährung 1898, das auf der Grundlage des Italienischen ZGB entworfen worden ist, wird die Verjährung gemäß den Regelungen des Türkischen Zivilgesetzbuchs, dem Gesetz über den Boden und dem Türkischen Handelsgesetzbuch bestimmt. Die Verordnungen der türkischen Gesetzgebung entsprechen der Entwicklung der Rechtswissenschaft nicht und stimmen in vieler Hinsicht mit dem volkstümlichen Rechtsbewusstsein nicht überein.
Das Gesetz über die Verjährung normiert die Ersitzung und die Verjährung, die ihrer Frist nach unterschiedlich für die dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüche ausfällt. Indem der Gesetzgeber das französische ZGB befolgt, legt er eine längere Frist für den Erwerb von Immobilien durch Ersitzung ohne Sorgfaltspflicht und Rechtsgrundlage fest. Das wurde aus der Erwägung zur Durchsetzung einer Rechtsicherheit bewirkt, wenn die tatsächlichen Eigentümer nachlässig waren und die Immobilien durch Dritte in Besitz nehmen lassen. Bei mangelnder Sorgfalt und einer Rechtsgrundlage beträgt die Ersitzungsfrist 20 Jahre.
Die Verjährung für dingliche Klagen beträgt 15 oder 20 Jahre je nach Sorgfalt oder Nachlässigkeit und vorliegender Rechtsgrundlage.
IX. Bulgarien und das Recht der Europäischen Union
Am 13. April 2005 hat das Europäische Parlament den Beitrittsverträgen von Bulgarien und Rumänien zugestimmt und am 1. Januar 2007 ist Bulgarien der Europäischen Union beigetreten. Als Vollmitglied der Europäischen Union hat Bulgarien ihre Gesetzgebung an das europäische Recht größtenteils angepasst. Das Unionsrecht regelt die Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und zwischen den europäischen Organisationen. Die von den Institutionen der EU verabschiedeten Rechtsakte (das s. g. Sekundärrecht) bezeichnen die Adressaten - die Mitgliedstaaten oder deren natürliche oder juristische Personen. Die Entscheidungen sind unterschiedlich verbindlich. Verbindlich für die Adressaten sind die Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, die Empfehlungen und die Stellungnahmen hingegen nicht. Die Verordnungen gelten verbindlich sowohl auf der Ebene der EU als auch auf nationaler Ebene, indem sie vollumfänglich und direkt in allen Mitgliedstaaten anzuwenden werden müssen. Die Richtlinien sind nur hinsichtlich des festgelegten Endergebnisses verbindlich, indem die Mittel, die die Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Ziele einsetzen, ihnen überlassen ist. Die Entscheidungen haben eine unmittelbare Wirkung und können sowohl an die Mitgliedstaaten als auch an ihre natürlichen oder juristischen Personen adressiert sein. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich, üben aber einen wesentlichen politischen Einfluss aus.
Durch die Mitgliedschaft in der EU tritt jeder Staat ein Teil seiner Souveränität ab, das den Vorrang des Unionsrechts über die nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten vorbestimmt.
Die Rechtsnormen der EU haben eine unmittelbare Wirkung – ein Grundsatz der vom EU-Gericht entwickelt und formuliert worden ist. Die Rechtsnorm aus der Rechtsordnung der Gemeinschaft mit unmittelbarer Wirkung räumt den natürlichen und juristischen Personen unverzüglich und direkt subjektive Rechte ein, die von ihren nationalen Gerichten anerkannt und geschützt werden müssen. Durch dieses grundlegende Prinzip des Unionsrechts wird auch die genaue Einhaltung der Rechtsnormen auf nationaler Ebene ebenfalls gewährleistet. Hinsichtlich der Verordnungen gilt allgemein die direkte Wirkung.
Die Richtlinie bedarf zur innenstaatlichen Durchsetzung einer nachfolgenden Verordnung seitens des Mitgliedstaats. Die Richtlinie ist für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich des darin vorgeschriebenen Ergebnisses verbindlich. Sie können die Mittel für die Umsetzung frei wählen. Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird sie hinsichtlich der Unionsbürger nur dann direkt angewandt, sofern die Regierung des entsprechenden Mitgliedstaates sie nicht anwendet.
Die Verordnung, die an einer natürlichen oder juristischen Person aus einem Mitgliedstaat gerichtet ist, hat eine unmittelbare Wirkung. Die an einem Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung wird durch eine innerstaatliche Verordnung für ihre Durchsetzung direkt wirksam.